Sonderkonzert

Pringsheim, Mann und Wagner

Ein Literarisch-Musikalischer Abend

6. Dezember 2023 – 18:30 Uhr – Kunsthalle Lausitz

Es war einmal … .

Es war einmal in Schlesien ein reicher Unternehmer, der an der Ausbeutung des oberschlesischen Kohlereviers beteiligt war und dann auch mit Eisenbahngesellschaften große Gewinne erzielte und sich ein Palais in Berlin baute, welches bereits kurz nach dem Bau als Sehenswürdigkeit galt. Sein Sohn Alfred promovierte in Heidelberg, wurde ein bekannter Mathematiker und in München zum Professor berufen, wo er ein prächtiges Palais erbaute, welches zu einem gesellschaftlichen Zentrum wurde. Seine Frau war die Tochter der Frauenrechtlerin Hedwig Dohm und er hatte mit ihr 5 Kinder, darunter die Zwillinge Klaus und Katharina. Sein Hobby, dem er mit größter Passion oblag, war die Musik, genauer Richard Wagner. Sein Sohn Klaus wurde Musiker und war später in Japan sehr erfolgreich und bahnbrechend für die Begeisterung der Japaner für westliche Musik und sein Ruf und seine Wirkung strahlten auch in andere Länder der Region wie etwa Thailand aus. Katharina dagegen folgte der Karriere ihres Vaters und studierte als eine der ersten Abiturientinnen ab 1903 in München Mathematik. Außerdem sah sie gut aus und war sportlich. Else Lasker-Schüler, eine Freundin des Hauses, nannte sie die ‚morgenländische Prinzessin‘!

Es war einmal in Lübeck ein reicher Unternehmer der mit Handel ein riesiges Vermögen und großes Ansehen in der Stadt erworben hatte. Der riesige Besitz umfasste neben dem Handelshaus auch Anteile an Schifffahrtslinien. Sein Sohn Henry wurde Senator in Lübeck und heiratete eine aus Brasilien stammende Frau, die die Tochter eines Großfarmers mit seiner einheimischen Ehefrau war, und sich bis an ihr Lebensende 1923 in die Idylle ihrer Kindheit zurücksehnte. Sie zog nach Henries Tod nach München um. 

Diese außergewöhnliche Verbindung brachte 5 sehr interessante Kinder hervor, die, auch wenn sie sich nicht umbrachten, untauglich für eine ernsthafte Geschäftstätigkeit waren. Daher verfügte Henry in seinem Testament, dass nach seinem Tod die Firma zu liquidieren sei und aus dem erzielten Vermögen den verbliebenen Familienmitgliedern eine Rente ausbezahlt würde. Erstarb dann auch relativ früh. Testamentsverwalter war der Weinhändler Tesdorpf. Zwei der ungeratenen Söhne verbrachten einige Jahre in Italien, in der Toskana, in Palestrina, wo sie neben viel Müßiggang auch kreativ tätig wurden. Einer kehrte dann nach München zurück, und erreichte einen gewissen Wohlstand und tat sich neben seinem Hauptgeschäft als kritischer Wagnerianer hervor.

In München stritt sich Katharina eines Tages in einer Trambahn mit einem Kontrolleur, der sie als ‚Furie‘ anschrie. Diesem Streit wohnte unser ungeratener Sohn bei und tat alles um herauszufinden, wer die aggressive junge Dame sei, die einen gemütlichen Münchner Trambahnschaffner derart in Rage versetzen konnte. Als er herausgefunden hatte, dass die temperamentvolle Mathematikstudentin aus guten und interessanten Verhältnissen kam, verliebte er sich in sie, obwohl er bislang nur für schöne junge Männer geschwärmt hatte. Sein Ansinnen kam zunächst weder bei der jungen Dame, die er unablässig verfolgte – heute würde man von stalking sprechen – noch bei seinem Schwiegervater in spe gut an. Es half aber, dass er finanziell und künstlerisch zunehmend erfolgreicher wurde und dass er mit dem Vater über Richard Wagner reden konnte. Nicht zwei mal sieben Jahre wie Jakob um Rachel, aber über ein Jahr warb Thomas Mann um Katia Pringsheim bis am 12. Februar 1905 Hochzeit gefeiert werden konnte. Die Ehe hielt und brachte 6 interessante Nachkommen hervor!

Thomas Mann hatte durchaus keine Hemmungen, die Zeit der Werbung um Katia – unter Einschluss der Szene in der Trambahn – nur leicht verfremdet, in seinem Werk zu verwenden. Sein zweiter Roman nach dem zu großen Teilen bereits in Palestrina geschriebenen Erstlingswerk ‚Buddenbrooks‘ heißt ‚Königliche Hoheit‘ (1909) und ist leider weniger bekannt. Er wurde (von Thomas Mann?) so angekündigt: „Ein Märchen von der Form und von der Sehnsucht, von der Repräsentation und vom Leben, von der Hoheit und vom Glück.“ Der nicht eben bescheidene Autor stilisiert sich selbst darin als Prinz Klaus Heinrich in einem verarmten Kleinstaat und beschreibt in einem wichtigen Teil des Romans dessen Werbung um die Tochter eines Multimillionärs mit Namen Imma Spoelmann, die leicht als Katia Pringsheim zu dechiffrieren war.

Der heutige Abend wird sich mit Katia Pringsheim, mit Klaus Pringsheim und mit Thomas Mann befassen, es wird Musik aus Thailand und von Richard Wagner erklingen und Abschnitte aus dem Roman ‚Königliche Hoheit‘ von Thomas Mann werden vorgetragen.

Die Vortragenden sind Dr. Chanyapong Thongsawang (Bangkok/Wien), Rita d‘Arcangelo (Berlin) und Prof. Wolfgang Glemser.